Das Fach Kunst
„Der Kopf ist rund, damit die Gedanken ihre Richtung ändern können“.
Dieses Zitat von Francis Picabia könnte das Motto des Faches Kunst formulieren, wenn es nicht mittlerweile schon zu oft zitiert worden wäre. Obwohl es so etwas wie „Kreativität“ als mögliche Kernkompetenz künstlerischen Gestaltens in allen Jahrgangsstufen zu vermitteln gilt, fehlt diesem Motto damit die Originalität, ohne die – egal welche – Kreativität nur eine hohle Problemlösungsmethode ist. Schade. Es war ein so schönes Zitat.
Auch ein zweiter Lieblingsspruch teilt dieses Schicksal:
„Kunst ist schön, macht aber Arbeit“.
Es stammt von Karl Valentin und weist auf die handwerkliche und deshalb schweißtreibende Grundlage alles „Schönen“ hin, indem es deren idealisierende Erscheinung als Kunst vom hohen Sockel der Verklärung schubst.
Woraus drittens zu lernen ist, dass die Gedanken ihre Richtung nicht ändern können sollten, sondern sogar müssen, denn sie gelten immer nur für einen bestimmten Zeitraum und unter bestimmten Voraussetzungen. Die Kunst braucht Regeln – aber diese, die es gerade gibt, bestimmt nicht!
Deshalb kann jeder Lehrplan, und sei er auch immer so gut gemeint wie möglich, immer nur einen gewissen Rahmen abstecken, der jedes Jahr mit anderen und neuen oder älteren Schülern wieder neu gefüllt und originell gedeutet werden muss – auch von der Lehrerseite her.
Ein in der Kunstpädagogik virulentes Grundproblem besteht in der Beantwortung der Frage, ob sie mit Kunst oder zur Kunst erziehen solle, wobei der Begriff „Erziehung“ mittlerweile aus der Bezeichnung des Faches selbst und in den Schulzeugnissen verschwunden ist: da heißt es schlicht „Kunst“. Jeder Künstler, Kunstlehrer oder Kunstpädagoge in der Schule wird diese Frage wohl unterschiedlich beantworten, je nachdem aus welcher Schule er oder sie selbst wiederum stammt. Am WG ist es seit Langem die Devise: „Zur Kunst“ wollen wir erziehen!
Das wichtigste Unterrichtsziel, das wir verfolgen, besteht darin, dass jedes Mädchen und jeder Junge, der hier sein Abitur macht, mit Kunst in seinem Leben etwas anfangen kann, dass sie ein wesentlicher oder nicht, aber Bestandteil seiner Lebensqualität ist und jeder ein begründetes Qualitätsurteil über die Bildwelt, in welcher er/sie lebt, abgeben kann. Der Weg dazu führt über das Selbermachen ebenso wie über das gedankliche Durchdringen von Bildern. Eine sehr enge Vernetzung dieser beiden Kompetenzen ist dafür notwendig. Man muss Bilder kennen, man muss die Welt sehen lernen, man muss beides verknüpfen können – man muss verstehen, wie etwas zustande kam, und auch das, was man selbst produziert, muss man ernst nehmen und verstehen. Vor allem das letzte ist keine Kleinigkeit!
Es gibt in Kunst also viel zu lernen – aber eben anders als in allen anderen Fächern. Auswendig gelernt wird eher wenig, umso mehr kommt es auf Transferlernen an. Erfahrungen müssen reflektiert werden, handwerkliches Geschick spielt eine Rolle, Werthaltungen und Geschmacksurteile sollten ebenso hinterfragt wie selbstbewusst vertreten werden.
Als ausgebildete und häufig praktizierende Künstler sind bayerische Kunstlehrer Ratgeber und Moderatoren individueller Kunstprojekte ihrer Schüler. Sie wissen, dass jede Arbeit im Fach Kunst für jeden Schüler ein eigenes Projekt ist, das es zu begleiten gilt. Wir stoßen an, ja, und wir machen auch vor, wir kritisieren und befeuern, ja, ja – aber immer bleibt es das besondere, individuelle Projekt des in seiner Art einzigartigen Schülers. Über nichts freuen wir uns mehr als über gelungene, durchgestandene, originelle Bilder!
- Am WBG bespielen wir eine eigene Schulgalerie (“PS 2”) mit bis zu 6 Ausstellungen im Jahr
- Wir richten regelmäßig P- und W- Seminare ein
- Wir blicken auf eine lange Tradition von Leistungskursen und neuerdings der „Addita“ in der Oberstufe zurück
- Unsere Schüler sind „Piloten“ und „Museumsführer“ (in Zusammenarbeit mit dem MPZ)
- Wir besuchen regelmäßig Ausstellungen und Museen
- Wir sind eine von sechs Seminarschulen für Kunst in Bayern – seit über 50 Jahren
- Wir arbeiten eng mit der Akademie der Bildenden Künste und dem Institut für Schulqualität und Bildungsforschung zusammen
Links zu den Lehrplänen:
Jahrgangsstufe 5
Jahrgangsstufe 6
Jahrgangsstufe 7
Jahrgangsstufe 8
Jahrgangsstufe 9
Jahrgangsstufe 10
Jahrgangsstufe 11
Jahrgangsstufe 12
KUNSTprojekte
Malen in der Unterstufe
„Wie man sich auch fühlen mag, der Moment des Malens ist immer ein Glücksmoment.“ (Etel Adnan „Reise zum Mount Tamalpais“, S. 39 , Edition Nautilus 2007 )
Dass es auch darum geht, wenn wir mit Kindern von 10 – 12 Jahren im Kunstunterricht zusammen arbeiten, Lernziele hin oder her, sollte einem immer bewusst sein. Ebenso die Verschiedenheit unserer Schüler, auf die es Rücksicht zu nehmen und die es zu unterstützen gilt. Entsprechend müssen die Themenstellungen in Kunst inhaltlich so ausgerichtet werden, dass sie möglichst alle ansprechen. Andrerseits sollen die Schüler gerade am Gymnasium jetzt lernen, dass es auf die Gestaltungen in ihren Werken ankommt und nicht allein auf die in ihnen enthaltene Aussage. Das macht Arbeit! Für beide Seiten.
Hierzu zwei Beispiele speziell zum Lernziel „Malen“ in der 5. und 6. Klasse.
„Die Pinguine aus Madagaskar“ – nicht Teil V, sondern die aus der 5d
Am Beginn steht die experimentelle Erfahrung mit Acrylfarben auf einem großen Bogen (A2) Papier. Damit das Experiment nicht in ein bloßes Klecksen und Schmieren ausartet, braucht es eine gewisse Struktur, in diesem Fall einen Text von Will Grohmann zu dem Gemälde „Nadja I“ von Walter Stöhrer. Die Schüler malen chorisch parallel zum Verlesen dieses Textes. Es entsteht ein stark farbiges, sehr dynamisches, abstraktes Bild, in welchem sich sehr deutlich der persönliche Duktus des einzelnen und damit sein Temperament ausdrücken kann. Von recht klaren, noch weißgrundigen Kompositionen bis zu farbindifferenten schlammigen Grundierungen, welche durch das In- und Übereinander komplementärer Farben entstehen reichen die Ergebnisse.
Eine intensive Besprechung der Ergebnisse klärt für die Schüler das Zustandekommen ihrer Bilder und lehrt sie zugleich die Wichtigkeit der Farbwahl beim differenzierenden Mischen von Tönen. Um das Bedürfnis der Schüler nach einer Bilderzählung zu befriedigen und aus der Übung ein Werk zu machen, wird es mittels einer Papiercollage komplettiert, welche thematisch auf einen aktuellen Film – eben die „Pinguine aus Madagaskar“ Bezug nimmt. Damit lernen die Schüler auch ein Stück Komposition und die Abhängigkeit der Bildwirkung von ihr, da sie durch herumschieben ausprobieren können, an welcher Stelle ihr Pinguin am besten platziert ist.
Die abschließende Signatur mit weißer Acrylfarbe nimmt direkt Bezug auf das Ölbild von Stöhrer. Dieses wird jetzt verglichen mit den eigenen Ergebnissen. Abschließend schreiben die Schüler einen kleinen Text zu ihrem Bild in ihr Kunstheft, der wiederum selbst als Vorlage für ein Bilddiktat dienen kann.
Vulkanausbruch im Eis
Ein kunstpädagogischer Klassiker – das haben schon die Großeltern im Kunstunterricht gemalt! Ein Beweis dafür, dass es so etwas wie Archetypen gibt, die immer funktionieren. Ein Thema, das die Emotionen weckt, das die Vorstellungskraft eines 10jährigen Kindes auszufüllen vermag und hervorragend geeignet ist, den Warm-Kalt-Kontrast aus der dürren, abstrakten Theorie in ein erlebtes Bild zu übersetzen.
Und wer meint, da kämen doch dann immer dieselben und nicht mal die gleichen Bilder heraus: der schaue!
Der Turm des WBG in abstrakter Landschaft
In der 6. Klasse geht das Erkunden des Materials einen Schritt weiter. Es wird mit Acryl auf Leinwand gemalt, die Farbe kann pastoser angewendet werden.
Ausgehend von der Betrachtung und Interpretation eines Gemäldes von Etel Adnan werden gemeinsam Regeln für das Malen des eigenen Bildes erarbeitet. Es dürfen nicht mehr als 15 Formen benutzt werden und nicht weniger als 12 Farben. Das zwingt zu einem sehr differenzierten Ausmischen der Farben, es eröffnet das Prinzip der Farbverschränkung und eröffnet emotional das Feld der Farbklänge, welche einerseits zwar eine Grundlage in den Kontrastgesetzen haben, aber auch eine ebenso subjektive Note besitzen. Teilweise wird dieses Thema auch in Partnerarbeit ausgeführt, wenn aus den unterschiedlich großen Formatmöglichkeiten von den Schülern besonders große herausgesucht werden. (Formate bis 60 × 80 cm).
In diesem Fall wurde dem Thema eine Übung zur Runge´schen Farbkugel vorgeschaltet, mit welcher von den Schülern bereits eine große Palette an Farbnuancen erarbeitet worden war. Diese wird im Kunstheft archiviert. Und so unterschiedlich sehen die Ergebnisse aus!
Interkulturelles Maibaumfest
Im Keller des Wittelsbacher-Gymnasiums gelingt mühelos, was die öffentliche Debatte anzweifelt: die konfliktlose und gewinnbringende Begegnung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus unterschiedlichen Bildungsschichten, mit und ohne Migrationshintergrund. SchülerInnen und Schüler errichten in der schuleigenen Galerie zusammen mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Nationen und jungen Männern und Frauen aus einer Münchner Flüchtlingsunterkunft einen interkulturellen Maibaum. Dabei überwinden sie sprachliche Hürden, erschließen Traditionen, führen sie in neuer Form weiter und modifizieren ästhetische Konventionen.
Zum einen setzt das Wittelsbacher-Gymnasium im P-Seminar „Der interkulturelle Maibaum“ den Ansatz „Kunst als soziales Handeln“ aus den letzten Jahren fort. In einer Kooperation mit SozialpädagogInnen aus dem Amt für Wohnen und Migration der Landeshauptstadt München übernahmen Schülerinnen und Schüler des Wittelsbacher-Gymnasiums über die Dauer eines Jahres Patenschaften für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und trafen sich mit ihnen einmal pro Woche. Diese waren entweder unbegleitet geflüchtet oder mit ihren Familien nach München gekommen, lebten in Wohngemeinschaften oder sozialpädagogisch betreuten Wohnprojekten und waren zum Teil schon in der Schule oder in Ausbildung.
Die Treffen gestalteten sich in den einzelnen Teams unterschiedlich: sie verbrachten die Zeit gemeinsam, fotografierten, besuchten Museen, lernten, spielten, speisten gemeinsam, bummelten durch die Stadt oder besuchten Yogakurse.
Zum anderen erarbeitete die gesamte Gruppe an fünf Workshop-Tagen am Wochenende eine Rauminstallation, den interkulturellen Maibaum. Tatkräftig unterstützt wurden sie dabei von Kindern und auch jungen Männern und Frauen aus der Flüchtlingsunterkunft an der Richard-Strauss-Straße. Gemeinsam entwickelten Vertreter aus unterschiedlichsten Kulturen eine komplexe, neuartige Version eines Maibaums und probten eine Choreografie für einen Maitanz.
Fachschaft Kunst und das P-Seminar „Der interkulturelle Maibaum“